Wenn ein Unternehmen die Entscheidung trifft, ein übergreifendes Content Management System einzuführen, stehen Geschäftsführung und IT-Verantwortliche einem relativ weit gefächerten Angebot gegenüber. Für Kleinunternehmen mit überschaubaren Anforderungen und geringer Komplexität ist das nicht unbedingt ein Problem – sie können es sich oft erlauben, auszuprobieren, welches CMS wirklich passt. Dies umso mehr, als es hier gute lizenzfreie Angebote gibt, die auch ausbaufähig sind und „mitwachsen“, etwa die Magnolia Community Edition.
Dann kann ein einfaches CMS nicht mehr mithalten, denn die Ansprüche an den Webcontent steigen. Der Internetauftritt wird zu einem wesentlichen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und trägt maßgeblich zum Erfolg von Unternehmenszielen bei. Deshalb sind Enterprise Solutions beim Content Management viel mehr als nur Organisatoren für Webinhalte. Modernes Contentmanagement ist längst äußerst flexibel, weil „headless“ - Verfassen und Veröffentlichen von Inhalten sind streng getrennt, Daten werden in einem Repository abgelegt und können so für beliebige Endgeräte und Einsatzzwecke schnell abgerufen und aufbereitet werden. Im Klartext heißt das: einmal eingeben, vielfältig nutzen.
Und damit man aus den derart gespeicherten Daten das Beste herausholt, lassen sich leistungsstarke CMS mit Drittapps kombinieren oder kommen gleich mit einem inkludierten Paket entsprechender Funktionen, etwa für CRM oder DAM. Damit wird aus dem CMS schnell eine digitale Geschäftsplattform, die viele Bereiche im Unternehmen abdeckt.
Unter den High End CMS Lösungen punkten besonders die Magnolia Enterprise Edition Pro und der Adobe Experience Manager. Deshalb lohnt es sich, genauer hinzuschauen und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu betrachten, wenn im Unternehmen die Implementierung eines leistungsstarken CMS geplant ist.
Bevor es an den Abgleich der einzelnen Komponenten geht, lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung der jeweiligen Anbieter.
Magnolia wurde 2003 als dezidierte Open-Source Lösung ins Leben gerufen. Neben der lizenzfreien Grundversion bietet das Unternehmen inzwischen kostenpflichtige Enterprise-Lösungen an. Magnolias Alleinstellungsmerkmal war die kostenlose Bereitstellung eines „headless“ Content Management Systems, das durch seine Schnelligkeit und Flexibilität überzeugt, also ein prozessoptimiertes Charakteristikum, das zum Wettbewerbsvorteil wurde.
Den Softwareanbieter Adobe gibt es bereits seit 1982. Adobe hat sich um die Schaffung von Dateistandards verdient gemacht, etwa die Schöpfung des Formates PDF und der Postskript-Methode. Dies ermöglicht die Umsetzung von Grafikstandards im Digitaldruck. Ohne Adobe wären digitale Fonts und Bildbearbeitungssystem, wie sie heute gebräuchlich sind, kaum denkbar. Der Anbieter kam zunächst mit der Textverarbeitungssoftware rund um den Adobe Reader und Acrobat auf den Markt, dann mit Kreativ-Software wie Photoshop und Illustrator und die Creative Software Suite, den Vorläufer der Creative Cloud.
Zusammengefasst – Magnolia legt in der Umsetzung von Content Management den Schwerpunkt auf Prozesse, Adobe auf Inhalte.
Wer kann was? Hier ist der Überblick über Komponenten und Funktionalität.
Magnolia Enterprise Edition Pro | Adobe Experience Manager 6.3 |
---|---|
Site Designer für browserbasierte Websiteerstellung | Drag-and-drop Interface / Touch UI und Classic UI |
Personalisierung bei der Erstellung von Seitenvarianten | Grundfunktion integriert, mehr Funktionalität mit Adobe Target (Marketing Cloud) |
Leichte Integration mit Analytics und Marketing Automation Anwendungen | Adobe Campaign, Analytics, Audience Manager (Marketing Cloud) |
Transaktionsaktivierung zur Synchronisierung von Inhalten für bis zu 10 öffentliche Instanzen | Verhandelbar |
Workflow-Management | Workflow-Templates und Personalisierungsmöglichkeiten, integriertes Projektmanagement mit Kalenderansicht und Notizfunktion zur Kommunikation zwischen Autoren, Projektverwalter können leicht neue Projekte auf der Basis bestehender Teamstrukturen erstellen |
Erweiterte Caching-Strategien | AEM Dispatcher for Caching und Load Balancing Functionality |
Planbare Backups mit dem integrierten Backup-Modul | Offline und Online Backups möglich, aber keine integrierte Backup-Funktionalität |
Versionsexport / -import | Table Data |
LDAP/ADS Verzeichnis-Funktionalität | LDAP/ADS Verzeichnis-Funktionalität |
Bereitstellungsverwaltung | AEM Dispatcher |
Uneingeschränkte Skalierbarkeit, Clustering und Lastverteilung | Skalierbarkeit über CDN wie Amazon Cloud Front |
Syndizierung und Inszenierung | Syndizierung und Inszenierung |
Dokumenten-Management | AEM Assets |
Einfache Handhabung von Metadaten nach dem DCMI | Automatisches Extrahieren von Metadaten und Tags, leichte Auffindbarkeit in der Suchfunktion dank der Metadatenverwalten, Filtern und Abspeichern von Suchattributen |
Unterstützung von News und Tags zur übersichtlichen Verwaltung und Kennzeichnung von Informationen | Intelligente Tags erkennen Grafikelemente und ordnen sie Bezeichnungen zu, Leichte Auffindbarkeit in der Suchfunktion dank der Metadatenverwalten, Filtern und Abspeichern von Suchattributen |
Datenmodul zur Verwaltung von Produktkatalogen, Mitarbeiterverzeichnissen u.ä. | AEM Assets |
RSS, Podcasts, Videos, Nachrichten für einfaches, kanalübergreifendes Veröffentlichen von multimedialen Inhalten | AEM Livefyre Sharing Functionality |
Java-Script basiertes Enterprise Repository / CRX-Connector Modul | Java-Script basiertes Enterprise Repository (Apache Jackrabbit Oak 1.6.1) |
Single Sign On und Java Authentication and Authorization Service | Single Sign On und Java Authentication and Authorization Service |
Datenmigration zwischen Versionen von Magnolia Enterprise | Kompatibilität innerhalb der Adobe Marketing Cloud |
Multisite-Support für das Hosting verschiedener Domains unter einer einzigen Magnolia-Instanz | AEM Multisite Management |
Personalisierung auf Komponentenebene | Adobe Forms für einfache Personalisierung der Nutzer-Eingabemasken |
Dynamisches Caching für Zwischenspeichern statischer Komponenten in einer dynamischen Seite | AEM Dispatcher |
Unterstützung der Anwendungsserver Websphere und Weblogic | Unterstützung von Websphere als Add-On |
i18n Sprachanforderungen: konfigurierbar | i18n Sprachanforderungen: integriert |
Flexible Integration von Drittanbieter-Apps, Möglichkeit der Entwicklung unternehmensspezifischer Lösungen dank Open-Source-Konzept | Interaktion mit Adobe Marketing Cloud Komponenten, Schnittstellen zu ERP und CRM wie Salesforce, SAP, Microsoft Dynamics, E-Commerce Funktionalitäten teilweise integriert, Interaktion mit Magento |
Mobile-Funktionalität ist integriert | AEM Mobile als eigenes Modul |
Magnolia Partner Programm | Zeitaufwändige Implementierung und Schulung, nur begrenzt verfügbare AEM-Consultants |
Erweiterter Support rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche | Erweiterter Support etc. |
Magnolia CMS ist ein sehr intuitiv gestaltetes System. Dies erleichtert die Einführung im Unternehmen und die Handhabung. Schulungen sind möglich, besonders attraktiv ist das Magnolia Partnerprogramm. Teilnehmenden Partnern wird kontinuierliche Weiterbildung und der Informationsaustausch mit anderen Magnolia-Partnern angeboten.
Unternehmen, die bereits seit langem mit Drittanbieter-Lösungen arbeiten, diese beibehalten möchten und deshalb in einzelnen Bereichen nicht komplett neu schulen wollen, profitieren von der Agilität bei Magnolia.
Der Adobe Experience Manager wird gepriesen als das CMS, das wirklich alles kann, zugleich weisen Nutzer aber darauf hin, dass Schulungen absolut erforderlich sind, um aus dem CMS das Optimum herauszuholen, vor allem in komplexen Unternehmen kann sich dieser Prozess langwierig gestalten. Da gleichzeitig die Anzahl der Experten und Consultants überschaubar ist, müssen sich interessierte Unternehmen auf eine Wartezeit einrichten.
Beide Systeme im technischen Vergleich:
Magnolia | AEM | |
---|---|---|
HTML-Templating | Free Marker | HTL / Sighly |
Dialog Syntax | YAML | XML |
Dialog Definition | Areas | Parsys / Paragraph |
UI Implementierung | YAML / Vaadin | Bis AEM 6.0 ExtJS Classic UI, ab 6.0 Granite / Coral TouchUI |
Backend API | Vaadin & GWT | Sling |
Runtime Enviroment | Tomcat | Felix OSGI (Jetty) |
Entwicklung | Eher Backend-lastig. Dialoge werden über Vaadin und GWT implementiert. Einheitliches Konzept |
Sehr Frontend-lastig. Viele Dialoge sind unterschiedlich implementiert. Teilweise Business Logic in JavaScript. |
Vererbung | Decoration | sling:resourceSuperType |
Security | Standard implementierter Java EE Application Stack | Apache Web Server mit AEM Dispatcher |
Wie zu erwarten, hat die Komplexität des AEM bei jedem Upgrade auch ihre Nachteile. Bestandteile oder angegliederte Funktionen des Adobe Experience Managers müssen vor einem größeren Upgrade gesichert und nachher wiederhergestellt werden. Hinzu kommt, dass die meisten AEM-Instanzen auf benutzerdefinierte Anwendungen und individuelle Anpassungen zurückgreifen. Auch dies macht ein Upgrade komplexer.
Mögliche Bugs betreffen vor allem folgende Elemente:
Deshalb empfiehlt es sich, den Upgrade-Prozess in der folgenden Reihenfolge auszuführen:
Beim Upgrade auf eine höhere Version von Magnolia muss die bisherige Version in eine neue Struktur migriert werden. Dies kann 20 – 30 Minuten in Anspruch nehmen. Der Anwendungsserver muss hierzu gestoppt und das neue Magnolia-Bundle extrahiert werden.
Angepasste Magnolia.properties-Dateien müssen mit den Dateien im neuen Bundle verglichen und Eigenschaften gegebenenfalls hinzugefügt und entfernt werden.
Eine Besonderheit bei Magnolia ist es, dass man vor einem Upgrade auf ein größeres Release zunächst auf die neueste Minor-Release-Version upgraden muss. Zum Beispiel: 5.4.1 → 5.4.12 → 5.5.4 statt 5.4.1 → 5.5 → 5.5.4.
Magnolia verfährt bewusst so, weil in den minor Releases bereits Problembehandlungen und/oder Patches enthalten sind. Überspringt man ein minor Release, kann dies später zu Problemen führen, daher sollte man beim Upgrade der Entwicklungshistorie folgen.
Standardmäßig ist es ratsam, vor jedem Upgrade das System zu bereinigen, nicht verwendete Daten zu entfernen, alles neu zu indizieren und zunächst eine vollständige Sicherung durchzuführen.
Hier lässt sich nicht wirklich vergleichen. Magnolia erlaubt auch hier beträchtliche Flexibilität und der Preis ist dementsprechend verhandelbar, abhängig von den erforderlichen Komponenten. Abhängig von der Anzahl der Instanzen und Autoren gibt es wesentliche Preisunterschiede. Hier sei hervorzuheben, dass Magnolia beispielsweise einen Autor und einen Publisher auf einem Server als eine Instanz betrachtet. Darüber hinaus räumt Magnolia Bildungsanbietern und öffentlichen Einrichtungen Preisnachlässe ein.
Der Adobe Experience Manager kommt von vornherein ausgestattet mit einem großen Umfang an Funktionalität. Durch die integrierten Funktionen und die zusätzlich nutzbaren Module aus der Adobe Marketing Cloud ist AEM von der Kapazität her von vornherein auf große Unternehmen ausgerichtet. Preislich liegt das CMS deutlich über Magnolia, auch wenn hier ebenfalls Anpassungen des Preises an die Erfordernisse des Nutzers erfolgen.
AEM rechnet jeden Autor und jeden Publisher für sich als Instanz an, was die Kosten in die Höhe treibt. An dieser Stelle sollte auch auf die verhältnismäßig hohen Kosten für Upgrades auf höhere Releases hingewiesen werden, und die zu erwartenden Kosten für Einführung und Schulung.
Sowohl Magnolia als auch AEM sind leistungsstarke Content Management Systeme. Aufgrund der jeweiligen Unternehmensgeschichte, der Zielgruppen und Orientierung unterscheiden sich die beiden CMS jedoch deutlich.
Magnolia, als Freemium im Markt und mit einer Open-Source Basis, ist ein flexibles, dynamisches Modell mit hoher Kompatibilität zu Drittanwendern und der Möglichkeit, für oder innerhalb eines Unternehmens spezifische Eigenlösungen zu entwickeln. Dank seiner Agilität rankt Magnolia unter den Top 20 der Content-Management-Systeme.
AEM hingegen bringt zahlreiche Module bereits mit beziehungsweise lässt sich durch Elemente aus der Adobe Cloud erweitern. Vor allem in der Organisation von Workflows und in der Handhabung von Projekten sowie der Verwaltung und Nutzung verschiedenster multimedialer Inhalte punktet AEM deutlich. Nutzer sind begeistert von der individuellen Konfigurierbarkeit selbst bei komplexer Handhabung von 100+ Sites. Trotz der verhältnismäßig hohen Kosten ist AEM daher im Magic Quadrant von Gartner auch in 2017 wieder einer der Marktführer.
Unternehmen, die aus den Kinderschuhen heraus sind und nach einer Enterprise Content Management Lösung suchen, die komplexe Aufgaben bewältigt, ohne die überwältigende Funktionsfülle von AEM mitzuschleppen, können alternativ Hippo oder DotCMS in Erwägung ziehen. Bei beiden handelt es sich um Java-basierte CMS, die dank Open Source in ihrer Enterprise-Version sehr gut an die Bedürfnisse des Nutzers anpassbar sind.
Das niederländische Enterprise-CMS Hippo ist ebenso wie Magnolia Open Source. Das Content-Management-System ist headless und ausgelegt für Multichannel-Anwendung. Nach Berichten erster deutscher Nutzer ist vor allem das Targeting bei Hippo vorzüglich entwickelt. Die Endkanäle lassen sich an die Targeting-Bedürfnisse der Marketingabteilung anpassen.
Hippo CMS basiert auf offenem Quelltext und Standards wie dem Java-Content-Repository (JCR), REST, AJAX, MVC, Maven, CSS3- und HTML5-Support. Damit bietet sich Hippo für den Einsatz in Organisationen an, die eine Fülle von Inhalten bewältigen müssen, eventuell in mehreren Sprachen, und dies effizient und zielgruppengerecht umsetzen wollen.
Ebenso wie Hippo ist auch DotCMS ein Open Source basiertes System. Anwender können zwischen einer flexiblen, cloudbasierten Lösung und einer Enterprise-Version wählen. Ganz wie bei Hippo nutzt DotCMS ein Java-Content-Repository und einen API-basierten Content Store. Die Enterprise Solution von Dot ist für die komplexen Anforderungen international operierender, multisite- und multisprachlicher Organsiationen ausgelegt, die viel Content verwalten und flexibel umsetzen müssen.
Die Enterprise Version ist On Premise – Kunden erhalten Zugang zum Quellcode, was die Integration und Anpassung der Software an die Anforderungen des Unternehmens sehr erleichtert.
Fazit: Für Kleinunternehmen und Großkonzerne fällt die Entscheidung nicht schwer.Startups sind mit Magnolia gut beraten, während große Organisationen mit den entsprechenden technischen und finanziellen Ressourcen sicherlich eher zum AEM greifen werden.
Die Zielgruppen beider CMS überschneiden sich bei den mittelgroßen Unternehmen. Hier sollte bei der Auswahl berücksichtigt werden, wie das Budget angesetzt ist, welche Wachstumspotenziale das Unternehmen hat, welche Drittanbieter-Lösungen bereits in Gebrauch sind und beibehalten werden sollen, und welche Bedürfnisse bei der Einführung anfallen.
Wer bei Magnolia ein wenig die umfangreiche Funktionalität des AEM vermisst, gleichzeitig aber nicht so tief in die Tasche greifen will, wie es für den Alleskönner von Adobe nötig ist, kann in Erwägung ziehen, Hippo oder DotCMS einzusetzen.
Ein kompetenter Softwareberater hilft nach einer Analyse der Voraussetzungen und Anforderungen im Unternehmen mit der Auswahl und Anpassung der bestmöglichen Lösung.
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Frankfurt, den 25.05.2018